Hildegard Müller
Aachen, den 15. Mai
2001
Titel:
Sind die Steuerreform, die Rentenreform und
das Mitbestimmungsgesetz das Ende der sozialen Marktwirtschaft?
Veranstalter: MIT Aachen‑Stadt
Termin: 15.05.2001, ab
19:30 Uhr Ort: Saalbau, Aachen
1. Steuerreform
(Siehe
auch beiliegenden JU‑Beschluss)
Diese Steuerreform ist keine nachhaltigen
Steuerreform. Sie wird nur so lange Bestand haben, bis der rot‑grünen
Bundesregierung die Probleme in diesem Bereich wieder über den Kopf wachsen
werden. Und dies ist bereits jetzt abzusehen.
Das Vorgehen der Bundesregierung ist leicht zu
durchschauen. Die ursprünglich sozialdemokratischen Pläne, mit einer Spur von
grün, biedern sich im Laufe der öffentlichen Debatte mehr und mehr
christdemokratischen Ideen an und enden in einer konzeptionellen Sackgasse, die
als "neue Mitte" verkauft wird. Sie sind ein inhomogenes Konglomerat
aus unterschiedlichsten Leitbildern und Konzepten, in denen sich jeder
irgendwie wiederfinden kann, mit denen am Ende aber niemand wirklich zufrieden
ist, weil die langfristige Perspektive aus den Augen verloren wurde. Was bleibt
ist die Verwässerung einer Idee und nicht die"Nachbesserung".
Die Verantwortlichen hoffen, dass dies bis zur
nächsten Bundestagswahl durchzuhalten ist. Das bietet aber, insbesondere für
die junge Generation, keine Perspektive, denn im Steuerrecht sind nachhaltige
Reformen nötiger denn je. Gerade junge Menschen fordern diese Nachhaltigkeit
und stellen nun enttäuscht fest, dass es in absehbarer Zeit wieder eine
Steuerdiskussion geben muss, die erneut Perspektiven verändern und wieder
Unsicherheit bringen wird.
Die entscheidende Forderung nach einer
gleichmäßigen Entlastung von Unternehmen und Arbeitnehmern ist nicht erreicht
worden. Ebenso ist die steuerliche Besserstellung z. B. in Hinsicht auf
Veräußerungsgewinne von großen Kapitalgesellschaften gegenüber
Einzelunternehmen und Personengesellschaften ungerecht.
Der Mittelstand ist
davon besonders betroffen.
Aber wem sage ich das. Ich muss in diesem Punkt ja keine Eulen nach Athen
tragen.
Durch die Einführung des Halbeinkünfteverfahren
werden die Bezieher hoher Einkommen am stärksten profitieren. Kleinaktionäre
werden sogar schlechter gestellt.
Daher fordert die Junge Union Deutschlands
weiterhin ein gerechtes und nachhaltiges Steuersystem, bei dem schon viel
erreicht wäre, wenn der Arbeitnehmer zumindest die Arbeit seines Steuerberaters
nachvollziehen könnte. Weiterhin sind noch immer die zahlreichen
Ausnahmetatbestände im Steuerrecht nur für Experten zu durchschauen.
Es ist ärgerlich, dass eine derart wichtige Reform,
wie die Steuerreform, am Ende auf die Frage von Sieg oder Niederlage der
Regierung bzw. der Opposition reduziert worden ist. In der Sache wird man so
keinen Sieg erzielen.
Die Vorschläge vom Fraktionsvorsitzenden Friedrich
Merz und dem ehemaligen Verfassungsrichter Paul Kirchhof gehen beide in die
richtige Richtung: 1. Steuerliche Entlastung durch Absenken der Steuersätze
(15%‑35%) unter Berücksichtigung existenzsichernder Freibeträge und
Ehegattensplitting 2. Vereinfachung des Steuerrechts durch Abschaffung der
zahlreichen Steuertatbestände ‑ der Quantensprung im Vergleich zu vielen
anderen Entwürfen ist die Zusammenfassung aller sieben Einkommensarten im
Steuerrecht Aufhebung des Bankgeheimnisses problematisch (?)
2. Rentenreform
2.1. Generationengerechtigkeit
Eine Rentenreform kann nur generationengerecht
sein, wenn sie nachhaltig und langfristig konzipiert ist. Das Ziel muss eine
Reform sein, die Bestand hat und von der nicht wie bei dem vorliegenden
Vorhaben der Regierung schon am Anfang bekannt ist, dass sie in absehbarer Zeit
erneut geändert werden muss. Wir müssen die demografische Entwicklung adäquat
berücksichtigen und die Rentenformel nicht manipulieren.
2.2. Frauen
Frauen werden systematisch benachteiligt. Zum
einen bei der privaten Altersvorsorge und zum anderen bei der Anrechnung der
Leistung der Kindererziehung; am härtesten sind Mütter betroffen, deren Kinder
vor 1992 geboren worden sind.
2.3. Private Vorsorge
Über die Notwendigkeit privater Vorsorge herrscht
endlich Einigkeit. Wir brauchen aber mehr Eigenverantwortung und größere
Wahlfreiheit über die Anlageform statt Bevormundung und Bürokratie. Zudem
müssen Familien stärker gefördert werden.
2.4. Kopplung Rente an abhängige Beschäftigung
Bei einer echten Reform hätte diese Thematik im
Vorfeld breit diskutiert werden müssen. Durch die sich immer weiter
verändernden Erwerbsbiographien kann auf Dauer bei der sozialen Sicherung die
enge Kopplung an die abhängige Beschäftigung nicht gehalten werden.
2.5. Rentenniveau bzw. Lebensarbeitszeit
Die Lebensstandardsicherung kann die GRV nicht
mehr garantieren. Sie sollte Aufgaben übernehmen, die für sie leistbar sind.
Das könnte die Sicherung des Existenzminimums sein. Bei steigender Lebenserwartung
wird sich die Lebensarbeitszeit erhöhen, alternativ das Rentenniveau sinken
müssen.
3 Mitbestimmungsgesetz
In den vergangenen fast 30 Jahren hat sich die
betriebliche Mitbestimmung (Betriebsverfassungsgesetz 1972) bewährt. Seither
hat sich unser Wirtschaftssystem aber grundlegend verändert. Auf diese
Veränderungen muss die Reform eingehen ‑genau das tut sie aber nicht!
So werden von der Bundesregierung und den
Gewerkschaften noch die Diskussionen von vor 15 Jahren geführt. Heute muss die
Politik aber neue Antworten auf neue Herausforderungen geben. Zum einen was die
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anbetrifft ‑ Globalisierung, New
Economy und Flexibilisierung sind die Stichworte. Zum anderen für die
Arbeitsverhältnisse ‑ Lebenslanges Lernen, Telearbeit und neue Formen der
Selbstständigkeit sind hier die Stichworte.
Die rot‑grünen Vorschläge geben darauf
keine Antwort. Sie sind undemokratisch, bürokratisch, mittelstandsfeindlich,
unflexibel und kostentreibend. Klassenkampf statt sozialer Partnerschaft ist
das Motto! Die schlichte Vermehrung von Betriebsräten ist ohne Zweifel im
Interessen von Gewerkschaftsfunktionären. Aber es kann nicht um diese
Minderheit der Arbeitnehmer gehen, noch dazu um eine schrumpfende. Stattdessen
benötigen wir eine Stärkung der Eigenverantwortung der Arbeitnehmer.
Die Lösung für unsere Wirtschaft ist es eben
nicht, mehr Menschen in noch mehr Gremien noch mehr diskutieren zu lassen.
Dadurch werden die Entscheidungen nicht automatisch besser. Was automatisch
aber passieren wird, ist, dass sich Entscheidungen verzögern werden und das in
Zeiten, wo die Entwicklungsprozesse wesentlich schneller ablaufen, als vor zehn
Jahren. Der Unternehmer muss letztendlich die Entscheidung treffen, denn er ist
für seinen Betrieb verantwortlich. Schließlich haftet er und kein Betriebsrat.
Eine Reform ist notwendig, aber diese Reform
müssen wir bekämpfen. Was unsere Wirtschaft braucht ist mehr Freiheit,
Flexibilität und Eigenverantwortung.
Bei dem was Rot‑grün vorgelegt hat, muss
man zu dem Schluss kommen, dass die Gewerkschaften von ihrem ehemaligen
Mitarbeiter Walter Riester Tribut verlangt haben, für die Unterstützung im
Wahlkampf und der Regierung seit 1998.
Forderungen:
Grundsatz: Mehr Freiheit, Flexibilität und
Eigenverantwortung ‑ Minderheitenrechte wahren. Damit auch kleinere
Gewerkschaften faire Chancen bei der Betriebsratswahl haben, brauchen wir das
Verhältniswahlrecht und kein Mehrheitswahlrecht und die Möglichkeit zu
kumulieren und panaschieren. ‑ Weder gesellschaftspolitische (Bekämpfung
von Rassismus und Ausländerfeindlichkeit) noch ökologische Themen gehören in
die Verantwortung des Betriebsrates. Anmerkung 1: Dies ist auch überflüssig,
weil bereits heute jemand entlassen werden kann, der sich gegenüber
(ausländischen) Arbeitskollegen rassistisch äußert oder sogar verhält.
Anmerkung 2: Bei der Beschäftigung mit ökologischen Themen werden sehr häufig
auch unternehmerische Entscheidungen tangiert (z.B. Investitionen, Ausbau der
Betriebsanlagen) ‑ Für Kleinunternehmen und Neugründungen sollten
abgestufte Mitbestimmungsrechte gelten.