Rede, Beitrag u. Pressemitteilung im Detail
 
Peter Rauen MdB, Bundesvorsitzender der MIT und stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
 
Gegen bürokratische Gängelung der betrieblichen Mitbestimmung
 

Eingangsstatement anlässlich des Diskussionsforums beim Arbeitgeberforum der BDA zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes
am 07. Februar 2001 im Haus der Deutschen Wirtschaft, Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,

um es gleich vorweg zu sagen: die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt den Gesetzentwurf von Herrn Riester, der eine bürokratische Ausweitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die betriebliche Mitbestimmung zulasten von Arbeitnehmern und Unternehmern bedeutet, ganz nachdrücklich ab.

Meine Damen und Herren,

ich bin stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der für Wirtschafts-und Finanzfragen zuständig ist, ich bin aber auch selbst seit einigen Jahrzehnten mittelständischer Bauunternehmer, und bin Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU. Ich kann für mich durchaus auch in Anspruch nehmen, dass ich mich mit den praktischen Fragen und den Sorgen und Nöten der Menschen vor Ort in den Betrieben ganz gut auskenne.

Und lassen Sie mich aus meiner Erfahrung sagen: heute werden erfolgreiche mittelständische Unternehmen ganz ohne gesetzlichen Zwang und Gängelung von zentralen Regelungen und Gewerkschaften, die weit weg vom Geschehen sind, im ganz überwiegenden Fall im besten Sinne des Wortes partnerschaftlich geführt.

Denn jeder Unternehmer weiß zu genau: Die Menschen sind das Kapital eines jeden Betriebes. Gute Betriebe werden heute über Motivation geführt.

Wenn Sie heute Menschen motivieren wollen, egal ob in der sogenannten New Economy oder im traditionellen Mittelstand, müssen Sie sie achten, Freiraum zur Entfaltung geben und natürlich auch gut bezahlen.

Probleme und Anliegen werden am besten vor Ort im Betrieb gelöst.

Gute Leistungen von Mitarbeitern werden durch auch materielle Anerkennung, Erfolgsbeteiligungen oder Aufstiegschancen belohnt. Auf Teilzeitwünsche etwa von Müttern wird ganz ohne gesetzlichen Zwang ganz regelmäßig eingegangen, Fortbildungen, die auch im Interesse des Unternehmens selbst sind, genehmigt.

Wir brauchen in Zukunft weniger Gängelung und mehr Entscheidungsfreiräume der Betriebspartner vor Ort. Wir brauchen weniger Einschränkungen durch Gesetze, und auch die Gewerkschaften sollten im Sinne einer wohlverstandenen Subsidiarität besser weite Rahmenbedingungen vorgeben, die viel Freiraum für betriebliche Regelungen schaffen.

Der Gesetzentwurf von Minister Riester geht völlig an der betrieblichen Wirklichkeit vorbei.

Er will Mitbestimmung erzwingen und wird genau das Gegenteil erreichen, nämlich Unfrieden in den Betrieben stiften und Arbeit teurer und ineffizienter machen, so dass Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen bzw. erst gar nicht entstehen, weil auch ausländische Investoren unsere starren Arbeitsmarktregeln schlichtweg ablehnen.

Lassen Sie mich auch einen kleinen, nicht unwichtigen Schlenker auf das sogenannte Günstigkeitsprinzip machen. Bisher wird selbst bei akuter Überlebensgefahr für mittelständische Unternehmen auch für einen Übergangszeitraum keine Entlohnung unter den Tariflöhnen erlaubt. Dies ist arbeitnehmerfeindlich, weil es Arbeitsplätze wegen mangelnder Flexibilität im Ernstfall häufig unnötig zerstört. Ich meine, auch hier müssen wir ran (§ 77 (3) Betriebsverfassungsgesetz, § 4 Tarifvertragsgesetz).

Viele in unserem Land haben noch nicht verstanden, dass Arbeitsplätze von Unternehmern geschaffen werden. Lassen wir deshalb doch auch den Unternehmern wenigstens etwas Luft zum Atmen.

Ich bin der Überzeugung: Hätten wir einen flexibleren Arbeitsmarkt, hätten wir den Aufschwung Ost und West und wären die Konjunkturlokomotive und der Investitionsschwerpunkt Europas. Wir haben unsere Regulierungen hierfür aber zu weit ausgedehnt.

Konkret zum Betriebsverfassungsgesetz: Was will Riester? Er will:

· eine formale Ausweitung der Mitbestimmung auf kleine Betriebe und durch Einbeziehung von Leiharbeitern u.a.;

· eine inhaltliche Ausweitung der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Fragen und

· eine Politisierung des Betriebsrats durch Übertragung allgemeiner gesellschaftspolitischer Aufgaben, zum Beispiel Gleichstellung der Frauen sowie Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit.

Riester will eine Ausweitung der Gewerkschafts- und damit Funktionärsmacht; dies ist aber nicht im Sinne der betroffenen Arbeitnehmer, die mit flexiblen Vor-Ort-Lösungen besser fahren können.

Hauruck-Wahlverfahren sollen eingeführt werden, die nicht demokratisch legitimierte Betriebsräte zur Folge haben.

Mittlere Betriebe ab 101 Mitarbeiter sollen künftig sieben statt bisher fünf Betriebsratsmitglieder haben, ein Anstieg von 40 %. Von 200 Beschäftigten soll ein Betriebsrat ganz freigestellt werden (bisher nur in Unternehmen ab 300 Beschäftigten).

Betriebsräte sollen künftig auch bei Änderungen von Arbeitsorganisation und -abläufen mitreden. Kurzum, praktisch jede Investition wird zustimmungspflichtig und damit in Frage gestellt. Betriebsräte sollen bei Qualifizierungsmaßnahmen wesentlich stärker mitbestimmen können. Die Gewerkschaften wollen praktisch ein verbrieftes Recht auf Weiterbildung durchsetzen. Ich habe hier bei aller persönlicher Unterstützung von Mitarbeitern im Weiterbildungsbereich doch ganz erhebliche Bedenken, dass künftig Betriebe obligatorisch für alle Mitarbeiter die Weiterbildung zahlen und sie dafür freistellen sollen.

Die Kosten für die Betriebe - direkte und indirekte Kosten! - sind groß, die Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit erheblich.

Schon heute, sagt beispielsweise eine Untersuchung zum Thema Weiterbildung, wenden Unternehmen in Deutschland schätzungsweise rund 34 Milliarden DM jährlich für Weiterbildung auf. Dies soll jetzt noch einmal steigen?

Mittelständische Unternehmer werden heute insgesamt viel zu sehr belastet, wie übrigens auch Arbeitnehmer. Nun sollen die Belastungen weiter steigen, ganz gegen die Zeichen der Zeit, die auch auf Eigenverantwortung, Subsidiarität und Freiräume stehen.

Dabei haftet der mittelständische Unternehmer typischerweise mit seinem gesamten Vermögen für betriebliche Fehlentscheidungen, der Betriebsrat hingegen nicht.

Lassen Sie mich klar stellen: Ich bin für eine moderne Mitbestimmung.

Ich bin aber gegen ein gesetzliches Zwangskorsett, das den Unternehmen und Menschen jede notwendige Flexibilität raubt.

Wir müssen das bestehende Zwangskorsett vielmehr lockern, wir brauchen wieder mehr Luft zum Atmen, um alle dauerhaft im internationalen Wettbewerb mitreden zu können. Wir brauchen eine Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes, aber in einer völlig anderen Richtung. Wir brauchen eine Novelle für die Menschen in den Betrieben, nicht für die Funktionäre.

Mit meinem Kollegen Horst Seehofer, der in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als stellvertretender Vorsitzender für Arbeit und Soziales zuständig ist, habe ich zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes bereits frühzeitig eine gemeinsame Position erarbeitet.

Demnach fordern wir:

· ein modernes und zukunftsfähiges Betriebsverfassungsgesetz, das sich an der Betriebspraxis orientiert und einen Interessensausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herbeiführt;

· eine den jeweiligen betrieblichen Verhältnissen angepasste Mitbestimmungspraxis;

· keine Ausweitung der Mitbestimmung;

· eine Modernisierung der Mitbestimmungstatbestände, wo erforderlich;

eine Beibehaltung der geltenden Schwellenwerte;

· keine Reduzierung der betriebsratsfähigen Betriebsgröße von derzeit mindestens 5 Arbeitnehmern (dies ist wohl auch in der neuesten Fassung des Gesetzentwurfs nicht mehr geplant);

· eine Entbürokratisierung des Wahlverfahrens bei - und dies ist wichtig - gleichzeitiger Sicherung der Rechte von Minderheiten;

· effizientere Einigungsverfahren;

· eine angemessene technische Ausstattung und Schulung von Betriebsräten;

· als ganz wichtigen Punkt, die Ermöglichung von Bündnissen für Arbeit auf betrieblicher Ebene, und

· last but not least, dass die eigentliche Betriebsführung dort verbleibt, wo sie bleiben muss, nämlich beim Unternehmer.

Ich freue mich, dass auch Bundeswirtschaftsminister Werner Müller jetzt die Koalitionsdisziplin offenbar in dieser Frage aufkündigt und offen gegen den Riester´schen Entwurf, der aus derselben Regierungsmannschaft stammt, angeht. Nur wird er leider mit seinem Widerstand vermutlich nicht weit gegen Kanzler Schröder und den federführenden Bundesarbeitsminister kommen.

Ich gebe auch zu bedenken, dass die deutsche Überregulierung vor allem auch die strukturschwachen Regionen in der Fläche und insbesondere auch die neuen Bundesländer schwächt. Viele mittelständische Betriebe dort können sich die ganze Regulierung gar nicht mehr leisten.

Ich bitte deshalb um Ihre Unterstützung aus der Unternehmerlandschaft, dass wir eine vernünftige Lösung für die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes hinbekommen und freue mich jetzt auf die sich anschließende Diskussion.

©Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU