Eingangsstatement
anlässlich des Diskussionsforums beim Arbeitgeberforum der BDA
zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes
am 07. Februar 2001 im Haus der Deutschen Wirtschaft, Berlin
Sehr
geehrte Damen und Herren,
um es
gleich vorweg zu sagen: die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt den
Gesetzentwurf von Herrn Riester, der eine bürokratische
Ausweitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die
betriebliche Mitbestimmung zulasten von Arbeitnehmern und
Unternehmern bedeutet, ganz nachdrücklich ab.
Meine
Damen und Herren,
ich bin
stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
der für Wirtschafts-und Finanzfragen zuständig ist, ich bin
aber auch selbst seit einigen Jahrzehnten mittelständischer
Bauunternehmer, und bin Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung
der CDU/CSU. Ich kann für mich durchaus auch in Anspruch
nehmen, dass ich mich mit den praktischen Fragen und den Sorgen
und Nöten der Menschen vor Ort in den Betrieben ganz gut
auskenne.
Und lassen
Sie mich aus meiner Erfahrung sagen: heute werden erfolgreiche
mittelständische Unternehmen ganz ohne gesetzlichen Zwang und Gängelung
von zentralen Regelungen und Gewerkschaften, die weit weg vom
Geschehen sind, im ganz überwiegenden Fall im besten Sinne des
Wortes partnerschaftlich geführt.
Denn jeder
Unternehmer weiß zu genau: Die Menschen sind das Kapital eines
jeden Betriebes. Gute Betriebe werden heute über Motivation geführt.
Wenn Sie
heute Menschen motivieren wollen, egal ob in der sogenannten New
Economy oder im traditionellen Mittelstand, müssen Sie sie
achten, Freiraum zur Entfaltung geben und natürlich auch gut
bezahlen.
Probleme
und Anliegen werden am besten vor Ort im Betrieb gelöst.
Gute
Leistungen von Mitarbeitern werden durch auch materielle
Anerkennung, Erfolgsbeteiligungen oder Aufstiegschancen belohnt.
Auf Teilzeitwünsche etwa von Müttern wird ganz ohne
gesetzlichen Zwang ganz regelmäßig eingegangen, Fortbildungen,
die auch im Interesse des Unternehmens selbst sind, genehmigt.
Wir
brauchen in Zukunft weniger Gängelung und mehr
Entscheidungsfreiräume der Betriebspartner vor Ort. Wir
brauchen weniger Einschränkungen durch Gesetze, und auch die
Gewerkschaften sollten im Sinne einer wohlverstandenen
Subsidiarität besser weite Rahmenbedingungen vorgeben, die viel
Freiraum für betriebliche Regelungen schaffen.
Der
Gesetzentwurf von Minister Riester geht völlig an der
betrieblichen Wirklichkeit vorbei.
Er will
Mitbestimmung erzwingen und wird genau das Gegenteil erreichen,
nämlich Unfrieden in den Betrieben stiften und Arbeit teurer
und ineffizienter machen, so dass Arbeitsplätze in Deutschland
verloren gehen bzw. erst gar nicht entstehen, weil auch ausländische
Investoren unsere starren Arbeitsmarktregeln schlichtweg
ablehnen.
Lassen Sie
mich auch einen kleinen, nicht unwichtigen Schlenker auf das
sogenannte Günstigkeitsprinzip machen. Bisher wird selbst bei
akuter Überlebensgefahr für mittelständische Unternehmen auch
für einen Übergangszeitraum keine Entlohnung unter den Tariflöhnen
erlaubt. Dies ist arbeitnehmerfeindlich, weil es Arbeitsplätze
wegen mangelnder Flexibilität im Ernstfall häufig unnötig
zerstört. Ich meine, auch hier müssen wir ran (§ 77 (3)
Betriebsverfassungsgesetz, § 4 Tarifvertragsgesetz).
Viele in
unserem Land haben noch nicht verstanden, dass Arbeitsplätze
von Unternehmern geschaffen werden. Lassen wir deshalb doch auch
den Unternehmern wenigstens etwas Luft zum Atmen.
Ich bin
der Überzeugung: Hätten wir einen flexibleren Arbeitsmarkt, hätten
wir den Aufschwung Ost und West und wären die
Konjunkturlokomotive und der Investitionsschwerpunkt Europas.
Wir haben unsere Regulierungen hierfür aber zu weit ausgedehnt.
Konkret
zum Betriebsverfassungsgesetz: Was will Riester? Er will:
· eine
formale Ausweitung der Mitbestimmung auf kleine Betriebe und
durch Einbeziehung von Leiharbeitern u.a.;
· eine
inhaltliche Ausweitung der Mitbestimmung in wirtschaftlichen
Fragen und
· eine
Politisierung des Betriebsrats durch Übertragung allgemeiner
gesellschaftspolitischer Aufgaben, zum Beispiel Gleichstellung
der Frauen sowie Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit.
Riester
will eine Ausweitung der Gewerkschafts- und damit Funktionärsmacht;
dies ist aber nicht im Sinne der betroffenen Arbeitnehmer, die
mit flexiblen Vor-Ort-Lösungen besser fahren können.
Hauruck-Wahlverfahren
sollen eingeführt werden, die nicht demokratisch legitimierte
Betriebsräte zur Folge haben.
Mittlere
Betriebe ab 101 Mitarbeiter sollen künftig sieben statt bisher
fünf Betriebsratsmitglieder haben, ein Anstieg von 40 %. Von
200 Beschäftigten soll ein Betriebsrat ganz freigestellt werden
(bisher nur in Unternehmen ab 300 Beschäftigten).
Betriebsräte
sollen künftig auch bei Änderungen von Arbeitsorganisation und
-abläufen mitreden. Kurzum, praktisch jede Investition wird
zustimmungspflichtig und damit in Frage gestellt. Betriebsräte
sollen bei Qualifizierungsmaßnahmen wesentlich stärker
mitbestimmen können. Die Gewerkschaften wollen praktisch ein
verbrieftes Recht auf Weiterbildung durchsetzen. Ich habe hier
bei aller persönlicher Unterstützung von Mitarbeitern im
Weiterbildungsbereich doch ganz erhebliche Bedenken, dass künftig
Betriebe obligatorisch für alle Mitarbeiter die Weiterbildung
zahlen und sie dafür freistellen sollen.
Die Kosten
für die Betriebe - direkte und indirekte Kosten! - sind groß,
die Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit
erheblich.
Schon
heute, sagt beispielsweise eine Untersuchung zum Thema
Weiterbildung, wenden Unternehmen in Deutschland schätzungsweise
rund 34 Milliarden DM jährlich für Weiterbildung auf. Dies
soll jetzt noch einmal steigen?
Mittelständische
Unternehmer werden heute insgesamt viel zu sehr belastet, wie übrigens
auch Arbeitnehmer. Nun sollen die Belastungen weiter steigen,
ganz gegen die Zeichen der Zeit, die auch auf
Eigenverantwortung, Subsidiarität und Freiräume stehen.
Dabei
haftet der mittelständische Unternehmer typischerweise mit
seinem gesamten Vermögen für betriebliche Fehlentscheidungen,
der Betriebsrat hingegen nicht.
Lassen Sie
mich klar stellen: Ich bin für eine moderne Mitbestimmung.
Ich bin
aber gegen ein gesetzliches Zwangskorsett, das den Unternehmen
und Menschen jede notwendige Flexibilität raubt.
Wir müssen
das bestehende Zwangskorsett vielmehr lockern, wir brauchen
wieder mehr Luft zum Atmen, um alle dauerhaft im internationalen
Wettbewerb mitreden zu können. Wir brauchen eine Novelle des
Betriebsverfassungsgesetzes, aber in einer völlig anderen
Richtung. Wir brauchen eine Novelle für die Menschen in den
Betrieben, nicht für die Funktionäre.
Mit meinem
Kollegen Horst Seehofer, der in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
als stellvertretender Vorsitzender für Arbeit und Soziales zuständig
ist, habe ich zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes bereits
frühzeitig eine gemeinsame Position erarbeitet.
Demnach
fordern wir:
· ein
modernes und zukunftsfähiges Betriebsverfassungsgesetz, das
sich an der Betriebspraxis orientiert und einen
Interessensausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
herbeiführt;
· eine
den jeweiligen betrieblichen Verhältnissen angepasste
Mitbestimmungspraxis;
· keine
Ausweitung der Mitbestimmung;
· eine
Modernisierung der Mitbestimmungstatbestände, wo erforderlich;
eine
Beibehaltung der geltenden Schwellenwerte;
· keine
Reduzierung der betriebsratsfähigen Betriebsgröße von derzeit
mindestens 5 Arbeitnehmern (dies ist wohl auch in der neuesten
Fassung des Gesetzentwurfs nicht mehr geplant);
· eine
Entbürokratisierung des Wahlverfahrens bei - und dies ist
wichtig - gleichzeitiger Sicherung der Rechte von Minderheiten;
·
effizientere Einigungsverfahren;
· eine
angemessene technische Ausstattung und Schulung von Betriebsräten;
· als
ganz wichtigen Punkt, die Ermöglichung von Bündnissen für
Arbeit auf betrieblicher Ebene, und
· last
but not least, dass die eigentliche Betriebsführung dort
verbleibt, wo sie bleiben muss, nämlich beim Unternehmer.
Ich freue
mich, dass auch Bundeswirtschaftsminister Werner Müller jetzt
die Koalitionsdisziplin offenbar in dieser Frage aufkündigt und
offen gegen den Riester´schen Entwurf, der aus derselben
Regierungsmannschaft stammt, angeht. Nur wird er leider mit
seinem Widerstand vermutlich nicht weit gegen Kanzler Schröder
und den federführenden Bundesarbeitsminister kommen.
Ich gebe
auch zu bedenken, dass die deutsche Überregulierung vor allem
auch die strukturschwachen Regionen in der Fläche und
insbesondere auch die neuen Bundesländer schwächt. Viele
mittelständische Betriebe dort können sich die ganze
Regulierung gar nicht mehr leisten.
Ich bitte
deshalb um Ihre Unterstützung aus der Unternehmerlandschaft,
dass wir eine vernünftige Lösung für die Novellierung des
Betriebsverfassungsgesetzes hinbekommen und freue mich jetzt auf
die sich anschließende Diskussion.